Gabriele Katzmarek erklärt ihr Abstimmungsverhalten zur Verlängerung des Griechenland-Hilfsprogramms

Veröffentlicht am 05.03.2015 in Europa

Vor knapp einer Woche hat der Deutsche Bundestag über die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland abgestimmt. Zahlreiche Bürger haben sich im Nachhinein bei mir gemeldet und wollten wissen, warum ich der Verlängerung zugestimmt habe. Gerne möchte ich allen Bürgerinnen und Bürgern meine Beweggründe darlegen.

Die Verlängerung des Hilfsprogramms hat ein zentrales Ziel: Der griechischen Regierung vier Monate mehr Zeit zu geben, um die beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Dass eine demokratisch gewählte Regierung bei Reformen im eigenen Land das Recht hat, Ergänzungen vorzunehmen und Schwerpunkte zu setzen wie den Kampf gegen Korruption und Steuerflucht, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Über jede Veränderung an bereits verhandelten Bedingungen für das Hilfsprogramm, muss sich die griechische Regierung auch weiterhin mit der Europäischen Kommission, dem internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank verständigen. Diese Institutionen werden von den zentralen Elementen des Hilfsprogramms nicht abrücken und das ist auch gut so.

Die neue griechische Regierung hat eingesehen, dass die Hilfe der europäischen Länder an Bedingungen geknüpft ist. Viele dieser Bedingungen sind nicht nachverhandelbar, andere müssen während der konkreten Umsetzung überprüft werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die Entlassung zahlreicher Staatbediensteter überprüft werden muss, wenn die Gerichte entscheiden, dass die Entlassungen gegen geltendes Recht verstoßen haben. Wenn die neue griechische Regierung darüber hinaus noch mehr Augenmerk auf die Korruptionsbekämpfung und das Eintreiben der Steuern legt, könnte es sein, dass ein Teil der Beamten im Staatsdienst verbleiben sollte. Auch beim Thema Privatisierung muss mit Augenmaß agiert werden. Es macht keinen Sinn die sofortige Privatisierung, beispielsweise von Häfen, zu fordern und somit Griechenland dazu zu nötigen, den bisher öffentlichen Besitz deutlich unter Wert an einen ausländischen Investor zu veräußern. Davon haben wir in Deutschland nichts. Unser Ziel muss es sein, dass Griechenland bei den Privatisierungen möglichst gute Abschlüsse erzielt, die dann auch einen substantiellen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und zum Schuldenabbau leisten können.

Mit der erfolgreichen Verlängerung des Hilfsprogramms hat die Vernunft gesiegt, denn es ist ökonomisch vernünftig und im Interesse Deutschlands Griechenland zu unterstützen. Griechenland muss, egal welche Partei die Regierung stellt, bei seinem Weg zurück in die finanzielle Souveränität begleitet werden. Wir zeigen so nicht nur was europäische Solidarität bedeutet, sondern sichern darüber hinaus unsere eigenen Interessen: einen starken europäischen Wirtschaftsraum, in dem unsere Unternehmen aufgrund ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit bestens aufgestellt sind und den Wohlstand in Deutschland sichern können.

Mit Bedauern habe ich festgestellt, dass einige meiner Kolleginnen und Kollegen im Bundestag gegen die Verlängerung des Hilfspakets gestimmt haben. Gerne möchte ich Ihnen erläutern, warum ich dieses Abstimmungsverhalten nicht nachvollziehen kann: Die Politiker, egal welcher Partei, die sich damit profilieren, dass sie gegen die Verlängerung des Hilfsprogramms stimmen, müssen auch erklären und öffentlich machen, was die Konsequenzen einer gescheiterten Abstimmung in Deutschland und damit einem Ende des Hilfsprogramms für Griechenland wären. Das dürfe die meisten in große Erklärungsnöte bringen, weil die Folgen völlig unvorhersehbar sind. Klar ist: Ohne Hilfe wäre Griechenland relativ schnell zahlungsunfähig. Der weitgehende Zusammenbruch der öffentlichen Daseinsvorsorge wäre wahrscheinlich. Was danach kommen würde ist völlig unklar. Wie reagieren die Börsen? Was machen die Menschen in Griechenland? Verlassen sie ihr Land in Richtung der europäischen Nachbarländer? Kehren sie zu ihrer eigenen Währung zurück wodurch jegliche Rückzahlung unmöglich würde? Entsteht ein „failed state“, ein gescheiterter Staat, im Süden Europas? Ich will definitiv kein Schreckensszenario konstruieren, aber all diese Fragen kann niemand seriös beantworten. Es gibt keinen geeigneten Vergleichsfall, keine Blaupause.

Ein Argument, dass ich inzwischen einige Male gehört habe, ist: Man kann der neuen griechischen Regierung nicht vertrauen, deshalb sollten die Hilfsmaßnahmen nicht verlängert werden. Dieses Argument kann ich leider nicht gelten lassen. Es wird der Verantwortung, die wir gegenüber den Menschen in Deutschland und in unseren europäischen Partnerländern tragen und mit denen wir in einer Schicksalsgemeinschaft zusammenleben, nicht gerecht. Nicht mein persönliches Empfinden für eine Regierung ist entscheidend, sondern eine sachliche Bewertung der Risiken und eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen. An dieser Bewertung hat sich seit der letzten Abstimmung wenig geändert. Die Wahl einer neuen Regierung entlässt ein Land nicht aus seinen eingegangen Verträgen und das Risiko eines Staatsbankrotts in Griechenland ist noch immer imminent.

Regelrecht schockiert hat mich die Berichterstattung in Griechenland, aber auch in Deutschland. Die zumeist völlig verdrehte Darstellung der deutschen und europäischen Politik in einigen griechischen Zeitungen ist absurd und ist der Diskussion sicherlich alles andere als zuträglich. Die Kampagne einer großen deutschen Tageszeitung ist mindestens ebenso gefährlich. In gnadenlosem Populismus wird eine – durchaus zurecht – skeptische Stimmung in der Bevölkerung aufgegriffen und passend dazu die vermeintlich klare und einfache Antwort geliefert. Über die Konsequenzen muss ja nicht berichtet werden, da man sich sicher ist, dass die Abgeordneten letztendlich die richtige Entscheidung treffen werden.

Griechenland muss sich wirtschaftlich wieder erholen und die neue Regierung in Griechenland muss Zeit bekommen, um diese Erholung gemeinsam mit seiner Bevölkerung zu gestalten. Dass sie dabei andere Wege geht als die Vorgängerregierung, andere Akzente und Schwerpunkte setzt, ist von uns zu akzeptieren. Gleichzeitig muss sie die mit den Hilfsgeldern verbundenen Auflagen erfüllen und mit den Institutionen zusammenarbeiten. Nur so kann Griechenland wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen und ein zentraler Teil des europäischen Wirtschaftsraums bleiben.

 
 

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